Mein klitzekleines Problem mit Fairy Tale von Stephen King

Zuallererst möchte ich eines klarstellen:

Ich bin Stephen King-Fan seit ich etwa 12 Jahre alt bin.

In der öffentlichen Stadtbibliothek kannte man mich bereits in jungen Jahren als begeisterten Leser all jener Bücher, für die ich eigentlich noch zu jung war. Rücksäckeweise habe ich Fantasy, Horror, Science-Fiction aus den heiligen Hallen in meine Höhle geschleppt und sie dort verschlungen. Bei beinahe jedem dieser ersten Raubzüge war mindestens ein Buch von Stephen King mit dabei. Die ersten beiden Bücher des Meisters, an die ich mich aktiv erinnern kann, waren Cujo und The Stand. Ich finde sie auch heute noch immer großartig. Der frühe, koks-wütende und nihilistische King ist mir auch heute noch am liebsten, keine Frage.

Aber auch was spätere Werke angeht, ziehe ich meinen Hut vor der Erzählkunst des Meisters. Der Mann hat nie ein schlechtes Buch geschrieben. Sicher, manche waren besser als andere, wobei diese Einteilung in besser und schlechter definitiv eher eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, als ein Anwenden objektiver Kriterien.

Die (vermeintliche) Entstehung von Fairy Tale

Auch der Neuling Fairy Tale hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Der ganze Aufbau hat etwas Kindliches, ist irgendwie eine herrlich unreife Phantasterei. Man kann sich King in seinem Schreibzimmer hier sehr gut als eine Gruppe von Kids in ihrem Baumhaus vorstellen, nach dem Motto:

Kind 1: «Ja, genau, der Höllenhund. Da ist aber auch noch eine Riesin mit gräääässslichen Zähnen …»

Kind 2, fällt ins Wort: « … und ihr fehlt der große Zeh am linken Fuß!»

Kind 3 bohrt in der Nase und wirft ein: «Warum gerade am linken Fuß?»

Kind 2, verdreht die Augen: «Na, weil der Höllenhund ihn abgebissen hat …äh … als … als sie auf der Toilette saß.»

Kind 1 ergänzt: «Genau! Sie hatte nämlich Durchfall, weil der dunkle Prinz …»

Fieberhafte Begeisterung, wildes Durcheinandergerede, sich zu übertönen versuchende Gedanken … so stelle ich mir Kings Gehirn vor, als er Fairy Tale geschrieben hat.

Herausgekommen ist dabei ein wild-wucherndes Traum- oder besser gesagt Albtraumkonstrukt, an dem jeder Liebhaber phantastischer und düsterer Literatur seine helle Freude haben dürfte. Ein Kaleidoskop hemmungslos und unzensiert realisierter Ideen und Versatzstücke.

Für sich genommen ist das absolut großartig – aber mir hat etwas gefehlt.

Was fehlt mir in Fairy Tale?

Ich habe mich wirklich lange gefragt, warum Fairy Tale bei mir nicht so richtig zünden wollte, obwohl ich all die großartigen, schrecklichen und dunkelwundervollen Zutaten ansonsten sehr zu schätzen weiß.

Irgendwann wurde es mir klar:

Natürlich, es könnte daran liegen, dass der Ich-Erzähler von Fairytale, Charlie Reade, die Geschichte mit einigem zeitlichen Abstand vorträgt, und ich bin mir sicher, dass das auch so gewollt ist – aber der belesene Charlie ist mir in Fairy Tale schlicht und einfach viel zu distanziert und berichtet für meinen Geschmack einfach etwas zu nüchtern .

Wie bei King üblich wird in Fairy Tale nicht an Schrecklichem und an Gewalt gespart, aber Charlie Reade berichtet von all seinen Erlebnissen, von diesem schrägen und brutalen Horrortrip in eine düstermärchenhafte Parallelwelt über weite Strecken wie von einem Waldspaziergang an einem Sonntagnachmittag.

Sicher, so ist es in den alten grimmschen Märchen, die hier wohl Pate standen ebenfalls … aber trotzdem:

Dieser Umstand macht Fairy Tale – trotz all der wunderbaren Märchenanleihen, den kingschen Lovecraft-Huldigungen gegen Ende, die ja für sich genommen durchaus Freude bereiten – für mich noch immer zu einem sehr guten Buch, aber zu einem schlechteren King.

Leider. Ich wäre echt gerne kindlich begeistert worden, hätte gerne mehr gestaunt und mitgelitten. So habe ich leider „nur“ gelesen, bzw, David Nathan gelauscht, der die Hörbuch-Version mal wieder ganz wundervoll umgesetzt hat.

Fazit zu Fairy Tale

Eine Leseempfehlung spreche ich dennoch aus. Erstens sind Geschmäcker ja durchaus verschieden und zweitens würde sich ohnehin kein King-Fan durch mein Gezeter vom Lesen abhalten lassen – und das ist auch gut so!

Also, Kopf hoch … ich warte nun auf das nächste kingsche Meisterwerk, und hoffe, dass da noch viele kommen werden. 🙂

 

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