Eine Ode an Morticia Addams Nase – Oder: Was taugt die neue Netflix-Serie Wednesday

Der alte Mann und die farblose Schönheit

Zugegeben: Ich bin mit meinen bald 43 Lebensjahren eigentlich schon lange nicht mehr in der Zielgruppe von Wednesday.

Glücklicherweise aber reicht die Geschichte der Addams Family weit zurück. Ich kenne sie tatsächlich noch in schwarz-weiß. Damals wurde die schwarzgewandete Familienobervampirin Morticia noch von Carolyn Jones verkörpert, deren Erscheinung und Habitus der Figur eine – auch für einen Heranwachsenden – äußerst anziehende Aura verliehen hat.

Natürlich, da hat sicherlich auch einiges an Film-Magie nachgeholfen – aber manche Illusionen sind einfach zu prachtvoll, um zu stark an ihnen zu rütteln.

Tatsächlich war ich nie ein Superfan der alten Serie, Morticias bezaubernde Aura hin oder her, und eigentlich müsste man sich darüber wundern, dass sie mir so gut im Gedächtnis geblieben ist. Die Erwiderung darauf aber ist denkbar einfach. Sie besteht aus einem einzigen Wort.

Ikonisch.

Ja, Frau Jones und die Macher der Serie haben damals eine Ikone erschaffen, und zwar eine, die noch deutlich ikoninäsischer ( ;.) ) ist, als Elvyra, die trotz ihrer deutlich ausgeprägteren … äh … Herzensattributen optisch in eine ähnliche Kerbe schlägt. Carolyn Jones nimmt man die aristokratische Eleganz einer Morticia Addams auf jeden Fall ab, ohne zu zögern.

Die Illusion ist perfekt.

Morticia Addams war für mich ganz klar die erinnernswerteste Figur in der Serie, während ich all die anderen, wunderbar schrägen Gestalten – Gomez, Onkel Fester, das eiskalte Händchen und natürlich Wednesday – zwar ganz nett fand, aber nicht übermäßig beeindruckt war.

Nicht schwer rumzukriegen

So viel zur Grundsituation.

Natürlich habe ich auch bei der neuen Serie Wednesday ein Auge riskiert, ohne aber zu große Erwartungen zu haben. Das Nostalgiegefühl, der Name Tim Burton und das Versprechen auf seichte Unterhaltung in hochauflösender Gothic-Optic haben ausgereicht, um mich anzulocken. Da bin ich nicht soooo schwer rumzukriegen…

Und siehe: Nach den ersten beiden Folgen habe ich aufgehört, die Serie weiter zu schauen.

War mit etwas zu platt, etwas zu viel offensichtlicher Fan-Service und – was man einer Teeny-Serie eigentlich nicht vorwerfen sollte, das ist mir klar – eben zu sehr auf Teenies getrimmt. Ein paar Tage später aber habe ich den Konsum jedoch wieder aufgenommen.

Lüg, Pinocchio, lüg!

Und wem habe ich das zu verdanken? Der Nase von Morticia Addams!

Kein Scheiss.

Aber wie ist das möglich?, mag sich der erstaunte Leser nun fragen – und ich habe keine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage. Eine mögliche Erklärung liest sich wie folgt.

So ein Gehirn macht ja nun die wildesten Dinge.

Gerade wenn wir schlafen und es nicht beaufsichtigen können. Da reitet schonmal ein nackter Marlon Brando auf einem T-Rex und Arnold Schwarzenegger richtet mit einem übergroßen, einhändig betriebenen Maschinengewehr ein testosterongetränktes Blutbad im Speisesaal von Hogwarts an, obwohl er eigentlich nur traurig war, dass alle eine Eule hatten, nur eben er nicht.

Auf jeden Fall erwachte ich einige Tage später, und während ich in lethargischem Dämmerzustand meinen ersten Kaffee schlürfte, überfiel mich ungefragt ein Gedanke.

„Hör mal, Du Lurch: Die neue Morticia hat ja ne ganz andere Nase als die alte!“

Klar, hat sie. Und sie ist überhaupt ganz anders.

Etwas mehr Elvyra in ihrer Erscheinung. Und dann ist die neue Morticia wiederum, die für mich persönlich – ja, das gebe ich gerne zu, und ja, der Vergleich ist ungerecht und rein subjektiv – der Hauptdarstellerin der Serie, Jenna Ortega, klar die Show stiehlt – der alten Morticia doch sehr ähnlich.

Und das liegt weder an der Nase, noch an der sonstigen Optik, sondern einfach nur an der großartigen schauspielerischen Leistung, die Catherine Zeta-Jones hier abliefert.

Eine morticiamäßigere Morticia hätte sie dem Publikum kaum bieten können!

So macht das Spaß!

Und, um die Frage aus der Überschrift zu beantworten, das Beste daran: Ich habe, erstmal nur, um dem Nasenrätsel auf den Grund zu gehen, Wednesday weitergeschaut und siehe:

Ab der dritten Folge nahm der Plott an Fahrt auf, ich habe nicht mehr nur analytisch geglotzt, sondern war in der Handlung drin und habe auch abseits leicht angefeuchteter Teenager-Erinnerungen meine helle Freude an der Story, den Witzen, an Wednesdays Edginess, dem Fan-Service und am herrlich verspielten Gesamtpaket gehabt.

Fazit: Sehenswert!

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