Die Entscheidung fiel ihm nicht schwer. Eine unbekannte Gefahr war immer größer, als eine, die man einschätzen konnte. Er musste wissen, wie viele es waren, wie sie drauf waren – und vor allem, ob sie wirklich eine Bedrohung darstellten. Vielleicht waren sie ja auch okay. Vielleicht sogar eine Hilfe. Rolf hielt das zwar nicht für wahrscheinlich, aber für theoretisch möglich.
Er straffte sich. Dann machte er einen großen Schritt über das Rinnsal hinweg, was ihm kaum Mühe bereitete. Rolf war groß, ein Bär von einem Mann, auch wenn das Alter und die alten Verletzungen ihm immer mehr zu schaffen machten.
Hellwach war nun, als er weiterging, hielt nach weiteren Spuren Ausschau und es dauerte nicht lange, bis er sie fand. Zuerst waren es nur mehr Skelette kleiner Tiere, die hier und da entlang des, nun in einem leichten Bogen verlaufenden Simses seine Aufmerksamkeit erregten – dann das eines Menschen.
Die Knochen steckten noch in den löchrigen Überresten der Kleidung. Der rechte Unterschenkel fehlte, aber das linke Bein war noch vollständig vorhanden. Der zugehörige Fuß steckte in einem Wanderstiefel, und die Größe des Schuhwerks ließ Rolf annehmen, dass es sich bei dieser Leiche um einen Mann handelte. Jeansstoff flatterte im Wind um die Hüftknochen, eine lange Unterhose darunter, Funktionsshirt und Hoodie am Oberkörper, darüber eine Allwetterjacke. Alles verwittert und zerlöchert. Der Tote musste schon eine ganze Weile hier liegen. Auffällig war, dass dieses menschliche Skelett nicht zertreten worden war. Rolf sah sich erneut misstrauisch um, dann ging er in die Hocke, und besah sich Dich Überreste genauer. Die Todesursache war schnell zu erkennen. Ein Loch im Schädel, nicht besonders groß, vielleicht ein Durchmesser von zwei oder drei Zentimetern, wobei die scharfzackigen Ränder von haarfeinen Rissen umgeben waren. Stumpfer Gegenstand oder Sturz, attestierte Rolf in Gedanken. Er sah nach oben. Der Felsüberhang ragte zu drei Vierteln über den Sims. Also kein Sturz. Wäre der Mann von oben auf den Rand des Simses gefallen, wäre er nicht auf dem Sims zum Liegen gekommen, sondern mehr oder weniger abgeprallt und weiter in die Tiefe gestürzt.
– Unlektorierte Erstversion
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