Nachwelt 2030 – Im Herzen des Winters – Spannendes Endzeit-Abenteuer Online Lesen 7.1 Die Wölfin war näher gekommen

Nein, ich bin nicht verrückt, dachte Mariam. Ich habe das wirklich gefühlt.
Sie starrte das große Tier an. Die Wölfin war näher gekommen und Mariam sah Narben und zahlreiche, kleine kahle Stellen im zottigen Fell. Selbstbewusst war sie auf die Hütte zugelaufen und die tiefen, gelben Augen hatten Mariams Blick gefangen gehalten. Dann hatte sich die Wölfin langsam hingesetzt, in etwa einem Dutzend Meter Abstand. Sie war auch langsam gelaufen, bedächtig, fast schon majestätisch, und Mariam hatte sich anstrengen müssen, um wieder handlungsfähig zu werden.
Der Blick des Tieres war hypnotisch gewesen. Während Mariam den Blickkontakt noch gehalten hatte, hatte sie weitere, fremdartige Emotionsfetzen in ihrem Kopf gespürt, von denen sie wusste, dass es nicht ihre eigenen waren. Sie hatte sie nicht so stark vernehmen können wie den ersten Gedankenschlag des Tieres. Dennoch hatten sie ihr eine unglaubliche Angst gemacht.
Wie kommt das Vieh in meinem Kopf?
Auch jetzt hatte sie noch Angst. Sie war sich nicht sicher ob das Wort stark genug war.
Angst.
Terror traf es eher.
Sie hatte sich nicht rühren können. So laut sie konnte, hatte sie das Wort Nein gedacht, vielleicht hatte sie sogar geschrien. Erst dann war sie wieder zu trägen, unsicheren Bewegungen fähig gewesen. Allerdings wusste sie nicht, ob sie sich aus dem hypnotischen Griff befreit hatte, mit Hilfe eigener Kraft, oder ob die Wölfin sie schlicht für den Moment aus ihrem Bann entlassen hatte.
Etwas in ihrem Gesicht fühlte sich komisch an.

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Sie fuhr sich mit der Hand darüber und als sie die Finger vor die Augen hob, fand Mariam sie blutverschmiert. Erneut tastete sie.
Ja. Nasenbluten.
Mist.
Aber wirklich verwunderlich war das nicht, so stark wie ihr Herz schlug. Auch die Hand, die sie sich erneut vor die Augen hielt, zitterte, wollte nicht ruhig bleiben. Das galt auch für ihre Knie, nein, eigentlich für ihren ganzen Körper. Ihr wurde schwindelig. Schwindelig und ein wenig schlecht.
Schwächeanfall. Kreislaufkollaps. Aber ich darf jetzt nicht …
Schwer ließ Mariam sich neben ihrem Neugeborenen aufs Bett fallen. Der Säugling erwachte durch die Erschütterung und die winzige Zornesfalte erschien erneut auf seiner Stirn. Mühsam zog Mariam sich hoch, die viel zu schwachen Finger um das morsche Fensterbrett gekrampft und schaute nach draußen. Diesmal reagierte die Wölfin nicht auf das Geschrei des Kindes. Das Tier saß einfach nur reglos da, noch immer auf dem selben Flecken und schaute in Richtung Hütte.
Auf der linken Seite der Brust des Tieres befand sich eine weiße Stelle im sonst fast durchgehend dunklen, zottigen Fell. Wie groß die Wölfin war! Dass Tier musste Mariam bis zur Brust reichen. Und das, obwohl es saß. Kein Wunder, dass die anderen Wölfe aus dem Rudel so gehorsam waren. Wie alt die Wölfin wohl war?
Mariam hatte keine Erfahrung damit, das Alter von Wölfen zu schätzen. aber aus irgendeinem Grund war sie sich sicher, dass das Tier sich im letzten Drittel seines Lebens befand. vielleicht sogar noch etwas weiter war. Diese Information hatte sie unbewusst aus den Gedanken und animalischen Emotionen entnommen, hatte den innewohnenden Subtext gelesen, ohne zu wissen, dass es überhaupt einen gab und ohne die Sprache zu verstehen, in der er geschrieben war.

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