Nachwelt 2030 – Im Herzen des Winters – Spannendes Endzeit-Abenteuer Online Lesen 7.5 von einer Scherbe an der Wange gestreift

Noch während sie, bewegungsunfähig und gelähmt, sah, wie die Wölfin sich in Bewegung setzte, war ein anderer Teil von Mariams Gehirn damit beschäftigt, weitere, um andere Informationen, die in der Telepathie des Tieres mitgeschwungen hatten, zu deuten.
Tiefe Trauer. Gram. Neid und Hass.
Sie will ihn nicht fressen, begriff Mariam. Sie will ihn … sie will ihn haben! Und mich … mich will sie töten.
Da waren noch weitere wölfische Gedanken und Emotionen gewesen. Mariam sah vor ihrem inneren Auge einen Wolfsbau, in dem viele tote Wolfskinder lagen, tot geboren mit schrecklichen, schrecklichen Fehlbildungen. Nicht lebensfähig. Unbegreiflich für die Wölfin. Und da war noch mehr, das …
In dem Augenblick, in dem die Scheibe mit einem erstaunlich leisen und undramatischen Klirren barst, Mariam zuerst von einer Scherbe an der Wange gestreift wurde, die Schrotflinte gleich darauf ihren Händen entglitt und ihr dann bewusst wurde, dass dieses schreckliche Tier jetzt zusammen mit ihr und ihrem Kind in der Hütte war – erst in diesem Augenblick konnte Mariam sich wieder rühren und sich zurückwerfen.
Der Schwung des gewaltigen Sprungs, den das Tier getan hatte, hatte es in einem Regen von Glassplittern über Mariam und das Bett hinweg getragen, wo es gegen die Rückwand der Hütte geprallt war. Aber darauf war die Wölfin vorbereitet gewesen. Dennoch knurrte sie tief und grollend, während sie sich in einer rasenden Geschwindigkeit hochrappelte und umdrehte.
Mariams Hände fanden die Schrotflinte wieder wie von selbst.

#booknerd #bookaddict #buecherregal

Ohne zu zögern oder wirklich zu Zielen richtete sie die beiden Läufe auf das Tier und schoss. Der erste Schuss schlug in die Wand ein. Holzsplitter flogen, beißender Schussnebel hing plötzlich zwischen Mariam und der Wölfin und Mariam registrierte ein orangfarbenes Glimmen in der Holzwand, wo heiße Schrotkörner das Holz versengten. Würde keinen Brand geben. Der zweite Schuss, der eine Zehntelsekunde später auf den ersten folgte, traf das Tier in die rechte Schulter. Es jaulte kurz auf und knurrte dann zornig, brach aber dabei die Sprungbewegung ab, die es gerade in Mariams Richtung hatte ausführen wollen.
Waffe, ich brauche eine Waffe, dachte Mariam, während sie die Schrotflinte in ihren Händen, die jetzt leer und nutzlos war trotz dieses Gedankens nicht loslassen konnte. Sie konnte auch den Kopf nicht drehen. Sie konnte nur das Tier ansehen, das jetzt vor ihr saß, wie es auch draußen vor der Hütte gesessen hatte.
Es nahm die exakt selbe Position ein, trotz der Verletzung. Er saß auf den Hinterläufen, den Oberkörper hoch aufgerichtet. Im dichten, im Dämmerlicht schwarz wirkenden Fell sah Mariam ein feuchtes Glitzern, wenn das Feuer im Ofen gerade etwas heller loderte. Einen Augenblick später sah sie es rot schimmern, als das aus der handtellergroßen Wunde fließende Blut die weiße Stelle am Brustkorb der Wölfin erreicht hatte.
„Geh weg!“, sagte Mariam laut, wiederholte die Worte noch einmal, brüllte sie. Die Wölfin reagierte nicht, gab nur weiter ein stetig an- und abschwellendes, langgezogenes Knurren von sich.

Eine Seite zurück
Zur vorherigen Seite
Als Taschenbuch kaufen?

Weiterlesen
Hier geht es weiter