Geist der Gleise – Harte Endzeit-Action Online Lesen 3

Jetzt fällt ihm auch auf, dass nicht mehr geschossen wird.
Die Reihen derer, die ihn und seinen Gegner eingekreist haben sind undurchdringlich und die Einzelheiten der Gesichter, die aufgerissenen Augen und die verzerrten Münder, vermischen sich zu einem universellen Ausdruck von Blutdurst, Todesgeilheit und Hass, ein Bild grenzenloser Aggression, die alleine gegen ihn gerichtet ist.
Als er nach der Pistole in der Tasche seiner Jacke greifen will, trifft ihn eine Kugel in die rechte Kniescheibe.
Sein Bein knickt unter ihm weg und er geht zu Boden.
Er fixiert den Schützen. Kein Degenerierter. Kein Mann. Ein Mädchen mit bunten Spangen im braunen Haar. Ein grausames Lächeln zerschneidet ihr verdrecktes Gesicht, dann spannt sie den Hahn ihres kleinen Revolvers erneut.
Rolf versucht, sein Sturmgewehr in die Hände zu bekommen, kriecht darauf zu, obwohl er weiß, dass sich keine Kugeln mehr darin befinden.
Nur noch wenige Zentimeter trennen seine Finger von der trügerischen Sicherheit der Waffe, als das Mädchen den Arm hebt und erneut abdrückt.

Rolf schreckte hoch. Sein Puls raste. Seit drei Wochen immer wieder der ewig gleiche, beschissene Alptraum. Drei Wochen, in denen er in diesem Loch festsaß und nichts tun konnte, außer in einem alten, quietschenden Bürostuhl zwischen dem Doppelbett, dem Vorratsraum und dem Kabuff, in dem der Toiletteneimer stand, hin- und her zu rollen. Eines von Ivans Notfallverstecken. Er selbst hatte geholfen es einzurichten.
Oh, er wusste, dass es noch mehr von ihnen gab – Verstecke, von denen der Ivan nicht einmal ihm erzählt hatte.

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Aber das Wissen um dieses hier hatte ihm das Leben gerettet.
Er schlug die Decke zurück und erwischte dabei ein paar der leeren Bierdosen, die auf dem edlen Teakholznachttisch gestanden hatten. Der entstehende Lärm verursachte ihm Kopfschmerzen und er fluchte laut. Der Verband um seinen rechten Oberschenkel war schon wieder durchgeblutet. Soweit immerhin war der Traum korrekt.
Ein Hundebiss.
Hatte sich entzündet.
Ohne die Antibiotika, die der Ivan hier unten gebunkert hatte, wäre er sicher schon längst daran gestorben.
Rolf wusste gar nicht mehr genau, wie er überhaupt hierher gelangt war. Irgendwann und irgendwie musste er sich zur Flucht entschlossen haben. Aber das war nicht der Grund, aus dem er so viel trank. Er fand nichts Ehrenrühriges daran, am Leben bleiben zu wollen.
Was ihm zusetzte, waren zum einen die stechenden Schmerzen in seinem Bein und die etwas dumpferen der anderen, unwichtigeren Wunden, die er davongetragen hatte. Dann sein Unwissen, was die Vorgänge über der Erde anging und die verfluchte Untätigkeit, zu der er verdammt war, so lange er nicht wieder Laufen oder seine, von Schnitten und Prellungen übersäten Arme ohne Einschränkung nutzen konnte.
Mit alledem konnte er eigentlich irgendwie zurechtkommen.
Nein, was ihm wirklich zu schaffen machte, war die Schuld, die er auf sich lasten fühlte.
Vorsichtig wuchtete er sich auf den Bürostuhl, der neben dem Bett auf ihn wartete. Die Bierdose, die er dabei angestoßen hatte, rollte nur träge, was ihm verriet, dass sie wohl doch noch voll sein musste. Er hob sie auf und nahm sie mit ins „Wohnzimmer“.

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