Sollte er seine Position ändern? Sollte er sich von der aus dem Schnee hervorragenden Felsnadel entfernen? Derjenige, der von dieser Seite angreifen würde, würde nur einen kurzen Weg hinter sich bringen müssen, bis er nahe genug an Rolf herangekommen wäre, um gefährlich zu sein.
Sollte Rolf also vielleicht … aber es war zu spät.
Ein Schatten war plötzlich rechts in Rolfs Blickfeld. Ein Schatten, der sich sehr schnell bewegte und von dem ein ungemein starker Geruch ausging. Auch für diesen Geruch fehlten Rolf die Worte. Aber es lagen viele andere Gerüche in diesem einen.
Moder. Nässe. Menschliche Ausdünstungen und ranziges Fett. Dies alles registrierte Rolf, während er seinen Arm nach oben riss, um erneut zu schießen.
Doch er war nicht schnell genug.
Zwar gelang es Rolf den Abzug zu drücken und den Schuss abzugeben, aber zu diesem Zeitpunkt befand sich sein Arm schon nicht mehr auf einer geraden Linie zu seinem Ziel.
Die Gestalt machte einen großen und hohen Satz auf Rolf zu. Der Bogen, den sie dabei in der Luft beschrieb war geradezu absurd weit und es war schier unglaublich, dass jemand aus dem Stand einen solchen Sprung machen konnte. Aber wenn Rolf überleben wollte, dann musste er glauben, was gerade geschehen war und durfte sich nicht mit Zweifeln aufhalten.
Die Gestalt befand sich in einem Sekundenbruchteil noch im Zenit ihrer Flugbahn, die Beine angezogen und beide Hände um den Griff der Keule hoch über ihrem Kopf gelegt und, so kam es Rolf vor, stieß dann auf ihn herab, wie ein Raubvogel auf einen vor Angst gelähmten Hasen.
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Blitzschnell warf er sich zur Seite. Neuerlicher Schmerz durchzuckte seine Knie und dort wo gerade eben seinen Kopf gewesen war, ging die Waffe nieder. Ganz weit hinten in seinen Gedanken begriff Rolf, dass es sich um eine Keule handelte, und nicht um eine Axt, aber das war in diesem Moment egal.
Sein Gegner fing sich wieder. Viel, viel schneller, als es Rolf lieb war, der selbst aus seiner vorigen, knienden Schützen-Position hochfederte und erneut versuchte, ein Ziel zu finden, während er mit der linken Hand sein Messer zückte. Sein Gegner wiegte sich von rechts nach links, blieb ständig in Bewegung und Rolf war klar, dass sich in exakt dieser Sekunde von der anderen Seite der zweite seiner Verfolger an ihn heranschleichen konnte.
Was sollte er tun? Ein Blick nach hinten werfen? Sich auf Verdacht nach vorn werfen, um einem etwaigen Schlag ausweichen zu können? Oder sollte einfach schießen?
Rolf entschied sich für die letzte Variante. Sein Mittelfinger krümmte sich um den Abzug und der Schuss löste sich. Wolfsgeheul aus Richtung der Hütte mischte sich in das Krachen. Die Kugel traf seinen Gegner in die rechte Schulter, das sah Rolf noch, bevor er von hinten niedergerissen wurde. Das Messer entglitt seiner Linken, versank im Pulverschnee. Das Körpergewicht seines Gegners presste Rolf nach unten, er fühlte Hände seine Schultern entlangtasten, auf dem Weg zu seinem Kopf.
Er hat den Speer nicht mehr, dachte Rolf. Warum hat er den Speer nicht mehr?
Sollte er lebendig gefangen genommen werden?
So musste es doch sein, oder nicht warum sonst sollte man in einem Kampf eine Waffe aufgeben? Warum sonst fühlte Rolf nun eine drückende Hand am Hinterkopf, die ihn mit dem Gesicht voran in den Schnee presste und nicht die Spitze der Waffe in seinem Leib? Warum sonst war es der Verfolger mit der Keule gewesen, der den ersten Angriff getätigt hatte?
Rolf hörte das angestrengte, kränklich-feuchte Atmen desjenigen seiner Verfolger, der auf seinem Rücken kniete und das schmerzerfüllte des angeschossenen.
– Unlektorierte Erstversion
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