Nachwelt 2030 – Im Herzen des Winters – Spannendes Endzeit-Abenteuer Online Lesen 7.4 Das Schränkchen war leer

Es war nicht einfach aus dem Rudel ausgestoßen worden. Der Gedankenbefehl war ein eindeutiges Todesurteil gewesen, das nicht hatte laut ausgesprochen werden müssen.
Naja, vielleicht war es ja sogar laut ausgesprochen worden und Mariam hatte die fremdartigen Gedanken nicht richtig gedeutet. Konnte sein. Konnte alles sein. Aber sie dürfte dem Tier, nein, diesem … diesem … Wesen dort draußen vor der Hütte nicht länger die Initiative überlassen.

Für einen kurzen Moment schloss Mariam ihre Augen, und tat einen ganz bewussten Atemzug, der ihren Puls im Zaum halten sollte. Dann sprang sie auf. Sie schnappte sich ihren Sohn, dessen noch immer andauerndes Schreien sie die ganze Zeit über aus ihren Überlegungen verbannt hatte, und trug ihn am Ofen vorbei zu dem Schränkchen. So behutsam es die hastigen, schnellen Bewegungen, die Sie machte zuließen, legte sie ihnen ab, drehte den Schlüssel rechts herum und öffnete die Tür des Schränkchens.
Manchmal ist die Realität eben doch besser, als das, was man sich so ausdenkt.
Das Schränkchen war leer. Sie brauchten nichts mit einer wischenden Bewegung herausschleudern und auf dem Boden der Hütte verteilen. Stattdessen nahm sie einfach nur ihr Kind wieder auf und legte es hinein.
Ja, Kleiner, wird eng. Aber da musst Du durch. Bald ist alles gut und wirst es vergessen haben.
Trotzdem tat es ihr weh, in ihrer Seele weh, als sie die Tür des Schränkchen wieder schloss und den Schlüssel nach links drehte, bis sie hören und fühlen konnte, wie der Riegel griff.

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Sie zog den Schlüssel ab und behielt ihn in der linken Faust, während sie zum Bett und zu ihrer Waffe zurückeilte. Die schmerzhaften Signale, die ihr Körper ihr sandte und die besagten, dass sie einfach nur schlafen und ausruhen musste und dass sie gar nicht in der Lage war zu tun, was getan werden musste, ignorierte sie.
Später. Später, wenn alles wieder gut ist.
Das Weinen ihres Sohnes drang gedämpft aus dem Schrank heraus und es hörte sich schrecklich an.
Erneut knackte es irgendwo in den Holzwänden oder der Decke der Hütte, aber diesmal ignorierte Mariam das Geräusch. Sie hielt die Flinte in Händen und starrte nach draußen. Da saß die Wölfin noch immer. Diesmal war sie nicht näher gekommen. Aber dafür hatte sie jetzt die Augen zu Schlitzen verengt, zu beinahe waagerechten Schlitzen, in denen die Pupillen gelb leuchteten. Langsam, ganz langsam, in einer fast schon menschlichen Geste legte das Tier erneut den Kopf schief und öffnete leicht den Mund, sodass ein merkwürdig bedrohlicher Gesichtsausdruck entstand.
Kind. Verstecken. Meins.
Mariam konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, als sie dieser zweite Gedankenschlag so unvorbereitet traf. Ihr Blick verschwamm für eine Sekunde, sie wollte sich an den Kopf fassen, ihn halten, weil er zu platzen drohte, aber auf halbem Weg konnte sie die Bewegung stoppen und sich daran erinnern, dass sie die Waffe nicht loslassen durfte. Trotzdem hatte sie ihr Ziel verloren, hatte die Wölfin, die sie über Kimme und Korn der Schrotflinte beobachtet hatte, nicht mehr im Visier.

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