Nachwelt 2030 – Im Herzen des Winters – Spannendes Endzeit-Abenteuer Online Lesen 2.3

Der Gedanke kam ihr seltsam vor, ohne dass sie wirklich wusste, warum. Eigentlich war Fleisch doch Fleisch, oder etwa nicht? Warum galten manche als Nahrung und andere nicht? War eine wütende Bache nicht viel gefährlicher als ein Wolf? Daran konnte es also nicht liegen. War es das Aussehen? Der Geschmack? Sicher, irgendwann einmal musste doch ein Mensch einen Wolf gegessen haben, oder nicht? Rolf hatte ihr irgendwann einmal von alten Büchern erzählt, die er gelesen hatte. In denen hatten die Menschen vor langer, langer Zeit die Herzen ihrer Feinde gegessen. Oder waren es Schütze oder Wanda gewesen? Traurigkeit überfiel sie, wie Schwarm schwarzer Krähen von ganz weit hinten aus einer tiefen, dunklen Höhle, irgendwo in ihrem Kopf. So viele verloren … und jetzt, dieses neue Leben in ihr und …
Mit einem Mal kamen ihr die Wölfe doch wieder bedrohlich vor. Mariam überprüfte die Tür, rüttelte daran. Trotz des Querbalkens, der als Riegel diente, wie bei einem mittelalterlichen Burgtor, nur kleiner eben, hatte die Tür einige Millimeter Spiel, und das so entstehende, hölzerne Geräusch, animierte einige der Tiere dazu, erneut mit dem Heulen zu beginnen. Wenn es von weiter wegkam, fand Mariam Wolfsgeheul sogar schön, sehnsuchtsvoll und ein wenig traurig, aber schön. Hier und jetzt kam es ihr nur hungrig vor. Hungrig und böse.
Umständlich begab sie sich wieder auf ihr Lager. Der Bauch behinderte sie ganz schön, und sie fluchte leise, als sie erneut durchs Fenster spähte. Und jetzt trat sie das Kind auch noch. Die Tränen traten ihr in die Augen. Nicht wegen der Schmerzen. Nicht weil sie plötzlich furzen musste. Einfach nur wegen allem. Weil ihr Körper ihr alles so schwierig machte, selbst die kleinste, selbstverständlichste Kleinigkeit, weil ihr Kontrolle genommen wurde, nicht nur über ihren verdammten Hintern, sondern auch über ihre Gefühle … weil … weil mit einem Mal alles so bedrohlich … und … und einfach schlimm geworden war. Ein Gedanke, der sie wieder zu den Wölfen brachte.
Die waren noch da, und sie waren näher gekommen. Die vorderen fünf zumindest. Das andere Tier, das auch vorhin schon im Hintergrund geblieben war, saß noch immer an Ort und Stelle und es starrte noch immer in Mariams Richtung.
Das ist doch nicht normal, dachte sie, als sie etwas anderes zusammenzucken ließ. Sie wusste im ersten Moment nicht, was es war, hörte sich nur selbst aufschreien. Erst dann registrierte sie, dass es ein Geräusch war, dass sie so erschreckt hatte. Und, dass dieses Geräusch von der Tür der Hütte kam. Sie schaute hin. Ja, sie konnte es erkennen. Die Tür vibrierte. War das ein Schatten? Ein Schatten von vier Pfoten, den sie da zwischen Türblatt und Boden sehen konnte?
Einen Lidschlag später war da nichts mehr. Mariams blick schnellte zum Fenster. Ja. Ein Tier aus der vorderen Gruppe fehlte, und als sie das registriert hatte, hörte sie es auch.
Nimmt Anlauf, dachte sie noch, da ließ erneut ein schwerer Schlag das Türblatt erzittern. Obwohl sie damit gerechnet hatte, zuckte sie erneut zusammen, aber die fand ihre Fassung schneller wieder als beim ersten Mal.
Die Pumpgun. Mariam schnappte sich die Waffe und entsicherte. Durchgeladen hatte sie ja schon. Kalt. Funktional. Teilnahmslos. Mariam wurde wieder etwas ruhiger. Sie merkte es nicht, aber der Schweiß brach ihr aus, während sie wartete, während sie lauerte und angestrengt lauschte. Erst als ihr leicht schwindelig wurde, fiel ihr auf, dass sie die Luft angehalten hatte. Mariam atmete japsend ein, so tief sie konnte. Ein erneuter Blick zum Fenster verriet ihr, dass dort vorn, vor der Hütte, wieder alle fünf Wölfe zu sehen waren. Auch das andere Tier weiter hinten war noch dort, wo Mariam es zuletzt gesehen hatte. Mit starrem Blick beobachtete Mariam die Wölfe, versuchte, abzuschätzen ob sie ihren Versuch mit der Tür wirklich abgebrochen hatten. Aber in den Gesichtern der Tiere konnte sie nichts ablesen, könnte die hungrigen Blicke, die die Tiere immer wieder in ihre Richtung schickten nicht deuten.
Wie ihr wollt, ihr Mistviecher, dachte sie und starrte zurück.

* * *
– Unlektorierte Erstversion

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